Die Hornstraße

Die Hornstraße in Kreuzberg ist mit ihren gerade einmal 24 Hausnummern wahrlich keine von den großen Straßen in Berlin, aber sie ist eine sehr besondere. Außergewöhnlich ist bereits ihre Grundstruktur. Sie ist kurz, aber doch enorm breit, hat zwei weit außeinander liegende Fahrbahnen und einen baumbewachsenen Mittelstreifen, auf dem sich u.a. ein Kinderspielplatz befindet. Sämtliche Häuser haben Vorgärten, und die Lokale in dieser Straße sind im Sommer zugleich Gartenlokale.

 

Die außergewöhnliche Form hat historische Gründe. So wie sie sich jetzt darbietet, war die Hornstraße eigentlich von niemandem vorgesehen. Es war vielmehr eine Planungspanne, die die Bewohner in den Genuss gebracht hat, in einem ruhigen Winkel anstatt in einer großen lärmenden Verkehrsstraße zu wohnen. Der Blick auf den Stadtplan läßt unmittelbar erkennen, dass die Hornstraße in ihrer Breite und ihrer Trassenführung genau die Fortsetzung der Yorckstraße bildet. Die Yorckstraße selbst knickt an der Großbeerenstraße ab, um auf die Yorckbrücken zuzulaufen, während die Hornstraße abrupt an der Möckernstraße und der Mauer zum ehemaligen Bahngelände, wo jetzt ein Park entsteht, endet. Nehmen wir jedoch ein Lineal und legen es auf dem Stadtplan an die Linie Südstern, Gneisenaustraße, Yorckstraße, dann sehen wir, dass der Stzraßenzug sich westlich des breiten Bahngeländes fortsetzt über Dennewitzplatz und Bülowstraße in Richtung Nollendorfplatz.

 

Peter Joseph Lenné, Generaldirektor der königlichen Gärten und Schöpfer vieler Parkanlagen im englischen Stil (so u.a. auch des Tiergartens), legte der preußischen Regierung im Jahre 1840 und in ergänzter Fassung in den 1850er Jahren einen Plan vor, der dort, wo sich noch zumeist Wiesen und Felder befanden, eine Sttraßenring mit weiten Fahrbahnen, großzügig angelegten Plätzen und einen Grüngürtel um Berlin herum einschloss. Er enthielt bereits die oben erwähnte geradlinige Straßenführung, der wir die idyllische Hornstraße verdanken. Die Achse im Süden wurde „Generalszug“ genannt; sie sollte nach Generälen, die in den sogenannten Befreiungskriegen gegen die Franzosen 1813 bis 1815 siegreiche Armeen angeführt hatten, benannt werden: Tauentzien, Kleist, Bülow, Blücher, Yorck, Gneisenau. Auch die Hornstraße erhielt etwas später ihren Namen nach einem Brifgadegeneral, der sich in diesen Schlachten hervorgetan hatte, Heinrich Wilhelm von Horn.

 

Lennés Gesamtplanung wurde ab 1859 vom James Hobrecht als dem Leiter der „Commission des Berliner Bebauungsplans“ aufgegriffen und zum Teil verändert. Dieser sogenannte „Hobrechtplan“ bildete im späteren 19. Jahrhundert die Grundlage für den Ausbau des erweiterten Gründerzeit-Berlins um den bisherigen Stadtkern (dem heutigen Bezirk „Mitte“) herum.

 

Die entscheidende Abkehr von Lennés und Hobrechts Straßenzugplan wurde dann durch den Ausbau von zwei Eisenbahnlinien erzwungen. Sie lagen in den Händen der privaten Anhalter und Potsdamer Eisenbahngesellschaften. Unterschiedliche Interesse, unklare Kompetenzen und eine unzureichende Entwicklung des Planungsrechtes sorgten für einen Dauerkonflikt dieser Gesellschaften mit dem Berliner Magistrat. Das Rangiergelände hatte sich währenddessen so sehr ausgeweitet, dass der Straßenzug an der vorgesehenen Stelle nicht mehr weiter geführt werden konnte. In den 1880er Jahren wurde das Gelände für den „Yorckstraßenknick“ freigelegt und dann mit dem Bau des noch fehlenden Teilstückes des Gneralszuges begonnen. Das 1885/86 gebaute „Yorckschlößchen“-Gebäude wurde in seiner Grundstruktur diesem Knick bereits angepaßt. Die Hornstraße war - gewissermaßen als Wurmfortsetzung des von Osten kommenden Straßenzuges - bereits 1873 angelegt und benannt worden. Zu jener Zeit wurde das ganze Planungswirrwarr als ein Ärgernis empfunden, den späteren Bewohnern der Hornstraße bescherte es aber eben jene Idylle.

 

Eine geschichtliche Nachzeichnung des Lebens in der Hornstraße müßte u.a. hervorheben, dass die im August 1943 in Plötzensee hingerichtete Widerstandskämpferin Ursula Goetze hier wohnte (am Haus mit der Nr. 3 befindet sich eine künstlerisch gestaltete Gedenktafel für sie) und dass in den späten 1960er Jahren das erste Berliner „Frauenzentrum“ in der Hornstraße eingerichtet wurde. Für Anhänger der Frauenbewegung in West-Berlin war der Straßenname damals ein vertrauter Begriff. Auch der legendäre „Kreuzberger Kinderbuchladen“ (Vorgänger von Anagramm) sei in diesem Zusammenhang erwähnt.

 

 

Hornstraßenfest, Kiezwoche und ‘Kreuzberger Horn'

 

Die günstige verkehrsentrückte und doch zentrale Lage der Hornstraße ließ später die Idee aufkommen, die Straße für Festlichkeiten und ein nachbarliches Miteinander zu nutzen. Nach einigen Ansätzen dazu in den 1980er Jahren im Kontext der Friedensbewegung gab es ab 1996 das allen Bewohnern der Umgegung vertraute „Hornstraßenfest“ jeweils am ersten Samstag im September. Im Jahre 1998 gründete sich der dieses Fest dann organisierende Verein „Kreuzberger Horn. Kultur im Kiez e.V.“, und seit der Zeit gibt es auch die jährlich erscheinende Kiezzeitschrift „Kreuzberger Horn“ mit historischen und aktuellen Artikeln. Später kam eine jährliche „Kiezwoche“ hinzu. Diese ganze Entwicklung, die im letzten Spätsommer eine Krisenphase erlebte, kann hier momentan nur erwähnt werden. Sie wird demnächst ausführlicher an dieser Stelle nachzulesen sein.

 

 

Die Zeitschrift „Kreuzberger Horn“ erschien im Winter 2008/2009 außer der Reihe mit neuem Ansporn und erweitertem Team. Im Folgenden sind die in der neuen Nummer der Zeitschrift enthaltende Erklärung „in eigener Sache“ sowie ein Werbezettel für die Verbreitung abgedruckt. Die Zeitschrift hat - wie auch bisher das Fest und die Kiezwoche - einen betont nichtkommerziellen und engagierten Charakter.

 

 

 

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Das Kreuzberger Horn in eigener Sache. Januar 2009.

 

 

Das Kreuzberger Horn war vor dieser Ausgabe 10 Jahre lang einmal im Jahr herausgekommen, jedesmal zum Fest am ersten Samstag im September in der Hornstraße (das es immerhin 12 Jahre lang gegeben hat) und zur ‘Kiezwoche', die dem Fest mit Lesungen, historischen Führungen und dgl. voranging. Als das Fest im letzten Spät­sommer zum erstenmal ausfiel, weil die Organisation zu schwierig erschien und es mit der dafür erforderlichen Kommu­nikation im Kiez nicht zum Besten stand, kam auch die Zeitschrift nicht heraus, denn sie war relativ stark an das Fest gebunden gewesen und von dessen Organisatoren, dem ‘Kreuzberger Horn. Kultur im Kiez e.V.', heraus gegeben worden. Dass solche Feste, die sich den Ruf von noch nicht weitgehend kommerzialisierten und anonymen, sondern eher gemeinschafts­orientierten Ereig­nissen bewahrt haben, immer schwerer zu organisieren sind, hat sich nicht nur im Groß-beeren- und Hornstraßenkiez gezeigt. Das Chamissoplatzfest gibt es z.B. schon lange nicht mehr, und wie man hört, finden im Graefekiez gerade entspre-chende Diskussionen statt.

Nach dem Ausfall kamen jedoch enttäuschte Kommen­tare und unerwartet viele Anfragen sowohl das Fest und die Kiezwoche als auch die Zeit-schrift betreffend. Ob die denn nicht wenigstens weiter heraus-kommen könnte, wurde gefragt. Sie schien auch unabhängig von dem Fest­ereignis Sinn zu machen und insbesondere wegen der z.T. umfangreichen und, wie nicht nur wir meinen, gründlich recherchierten historischen Ar-tikel, die ihre Aktualität nicht so schnell verlieren, waren auch die zurückliegenden Nummern immer noch wieder gefragt. Zudem hatte sich das Blatt als eine kritische und engagierte Stimme verstanden, war z.B eng mit der Aktionsgemeinschaft Gleis­dreieck verbunden und begleitete die immer wieder hinaus gescho-bene und gelegentlich ganz gefährdete Entstehung des Parks mit unzähligen Artikeln, nahm auch zu Mieterproblemen Stel­lung und organisierte ent-sprechende Veranstaltungen im Kiez, als eine schleichende Ver-drängung ihren Lauf zu nehmen schien. Die Kiezinitiative hat sich dabei nie als partei­politisch verstanden, aber doch auch nicht als unpolitisch. Selbstorgani­siertes Handeln im nachbarschaftlichen und zu­gleich öffentlichen Bereich, das Suchen nach Gemeinsamkeiten vor Ort über ethnische, parteipolitische etc. Unterschiede hinweg - läßt sich das nicht vielleicht als ein winziger beispielhafter Schritt zu einer weniger abge­hobenen und in der Tat zukunftsträchtigen Form von Demokratie begrei­fen?

Solche allgemeinen Überle-gungen blieben allerdings eher unausgesprochen, als sich An­fang November eine Gruppe zusammen fand, die ganz einfach der Meinung war, dass hier der Versuch gemacht werden sollte, etwas Wichtiges weiter zu führen war, jetzt eben unabhängig von Fest und Kiezwoche und möglichst auch öfter als einmal im Jahr, wenn auch nicht unter dem Druck der Regelmäßigkeit. (Die Zukunft des Horn­straßenfestes ist, nebenbei bemerkt, durchaus noch offen und wird zur Zeit eher op­timistisch eingeschätzt; für den 15. Januar ist ein ent-sprechendes Treffen aller aktiv Interessierten angesetzt worden, und auch unter diesem Gesichts­punkt kann die Zeitschrift ein Kontinuität stiftendes und die Pause überbrückenes Me­dium darstellen).

Das Team erweiterte sich jetzt gegenüber vorher, es gelang, die Teilnahme und Unterstützung von Personen zu gewinnen, die einer breiteren kritischen Öffent-lichkeit bekannt sind, und erfreulich war auch, dass sich ganz junge Mitmacher - zwei noch im Schüleralter - an-schlossen. (Letztere hatten sich bereits aktiv an Hornstraßen-festen beteiligt).

Das Ergebnis dieser Entschei­dungen und Vorbe­reitungen wird jetzt zum ersten Mal den Lesern vorgelegt; von deren Unter-stützung wird die weitere Existenz des Kreuzberger Horn ab­hängen. Und interessierte MitmacherInnen sind sehr wil­­l-k­ommen.

 

 

 

Zur neuen Nummer des Kreuzberger Horn und ein Hinweis auf die Verkaufsstellen.

 

Eine neue Ausgabe der Kiezzeitschrift Kreuzberger Horn - Nr. 11 vom Januar 2009 - ist soeben erschienen. Eröffnet wird das Heft mit einem satirischen Artikel des im Kiez ansässigen bekannten Kabarettisten Horst Evers: „Die Wartenburgstraße in Kreuzberg gibt es gar nicht.“ Neben den neuesten „Kieznachrichten“ und Artikeln über bestimmte Lokale und andere Einrichtungen sowie über die Band HardBeatFive enthält das Heft den Themenschwerpunkt: „Der Kiez als literarischer Ort.“ In Form von Kommentaren und ausführlichen Zitaten aus den Originaltexten wird darüber informiert, wo und wie das Wohngebiet zwischen dem Kreuzberg und dem Anhalter Bahnhof in Werken von Theodor Fontane, Heinrich Seidel, Erich Kästner und weiteren literarischen Autoren als Handlungsort inden Blick gerückt wird. Auch eine bisher unveröffentlichte kiezbezogene Kurzgeschichte aus jüngster Zeit gehört zu den abgedruckten Texten.

 

Das neue Heft kann für 2 Euro an folgenden Stellen erworben werden:

 

Zeitungsladen Großbeerenstraße Nr. 27A (dicht an der Einmündung zur Hornstraße)

Zeitungsladen Hagelberger Straße Nr. 54 (zwischen Transit-Hotel und Fahrradladen)

 

Buchhandlung Anagramm, Mehringdamm Nr. 50

Antiquariat Herold, Großbeerenstraße / Ecke Hagelberger Straße

Teeladen und Kulturtreff TEE-LESE, Großbeerenstraße Nr. 54 (Riehmers Hofgarten) .